Agrartipp, 26.10.2015
Kehrseiten der staatlich geförderten Exportoffensive.
Das Jahr 2015 ist geprägt von einer einschneidenden Veränderung für die europäischen Milchbauern.
Bis April diesen Jahres bestimmte die Milchquote den europäischen Milchmarkt, indem sie eine Obergrenze für die Milcherzeugung in der EU und im Endeffekt auch für jeden einzelnen Betrieb festlegte. Dann wurde die staatliche Mengenregulierung abgeschafft und seitdem kann jeder Betrieb selbst entscheiden, wie viel Milch er produziert.
Die Vorboten dieser Veränderung erreichten den Milchmarkt schon im Vorjahr. Mit 40 Cent pro Liter lag der Milchpreis zu dieser Zeit ungewöhnlich hoch, sodass viele Betriebe bereits damals ihre Kapazitäten den neuen Bedingungen anpassten und die vorgeschriebene Quote deutlich übertrafen. Strafzahlungen wurden bereitwillig in Kauf genommen.
Allerdings traf das steigende Angebot auf eine mehr oder weniger stagnierende Nachfrage, die zusätzlich durch den Importstopp Russlands geschwächt wurde.
Die Folge war ein rasanter Preisverfall, der den Milchpreis innerhalb von 18 Monaten um mehr als 10 Cent pro Liter abstürzen ließ. Auf diesem Preisniveau ist es für die Milchbauern unmöglich geworden ihre Kosten zu decken.
Deswegen protestieren die Milchbauern in ganz Europa. Auch der Deutsche Bauernverband hat sich den Protesten angeschlossen und fordert eine Exportoffensive für die europäische Milchwirtschaft. Die notwendigen Strukturen und die finanziellen Voraussetzungen sollen die Regierungen schaffen.
Aus entwicklungspolitischer Sicht ist die geforderte Exportoffensive allerdings sehr kritisch zu betrachten. Bereits in den vergangenen Jahren wurden in Nord- und Westafrika viele Kleinbauern durch Importe aus Europa vom Markt verdrängt und dadurch ihrer Lebensgrundlage beraubt.
Durch eine staatlich geförderte Exportoffensive der EU würden die Absatzchancen der lokalen Milchbauern in Afrika weiter sinken.
Doch nicht alle relevanten Verbände unterstützen die Forderung nach einer Exportoffensive. Unter anderem das European Milk Board und der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter plädieren stattdessen für eine verringerte Milchproduktion in Zeiten sinkender Absatzpreise. Gewährleistet werden soll eine solche Produktionsbeschränkung durch finanzielle Anreize für die Betriebe. Dadurch sollen langfristig Absatzpreise generiert werden, durch die die Betriebe ihre vollen Kosten decken können und ihre Wirtschaftlichkeit zurückerlangen.
Zudem könnten die Betriebe verstärkt auf Qualität statt auf Quantität setzen und auf nachhaltige Produktionsmethoden, wie zum Beispiel die Weidehaltung, zurückgreifen.
Durch einen solchen Schritt besteht die Möglichkeit die Entwicklung innerhalb der vergangenen 18 Monate umzukehren, ohne erneut eine Milchquote einführen zu müssen, die bereits in der Vergangenheit mehr schlecht als recht funktionierte.
Zusätzlich würden regionale Anbieter hochqualitativer Milcherzeugnisse gestärkt werden und afrikanische Kleinbauern hätten die Möglichkeit, ohne eine neue Konkurrenzsituation eine nachhaltige Entwicklung in der Region zu fördern.
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