Sattel statt Sitz

Klima, 05.11.2019

Stau, Stau, Stau - das Fahrrad als Befreier.

 

Sie rätseln bei dem oben gezeigten Bild? Es wurde aus dem Flugzeug aufgenommen, Landeanflug auf den Frankfurter Flughafen in der Abenddämmerung. Über zig Autobahnen hinweg schlängeln sich unzählige  gelbe, weiße und rote Lichter, die sich kaum oder nur wenig bewegen.

Denkt man im Herbst 2019 über Deutschland nach, kann man nur mit dem Kopf schütteln. Millionen von Autofahrer stecken jeden Tag im Stau und schaden somit nicht nur der Umwelt sondern auch dem Nervenkostüm. Der Stauirrsinn auf deutschen Straßen ist bei weitem keine Phänomen 2019, er begleitet uns schon  über Jahre hinweg. Auch ich bin selber Autofahrer, zumindest zeitweise und wenn es nicht anders geht. Der Wahsinn auf den Straßen habe ich lange mitgemacht, nun schwöre ich dem KfZ immer weiter ab.

Stau auf der Autobahn - Bild: Achim Otto

Das Fahrrad und ich - bei weitem keine Liebesbeziehung von Beginn an. Die ständigen Platten als Kind in den Achtzigerjahren, es folgten Stürze und eine höllische Fahrradtour bei sengender Hitze in Südfrankreich im WM-Jahr 1990. Die Liebe zu Rad erkaltete nach diesen Geschehnissen.

Die erste Befreiung von Ort und Raum kam mit dem Führerschein und dem Abitur. Plötzlich konnte man überall ganz unkompliziert hin; und die Staukilometer Mitte der 90er-Jahre waren im Vergleich zu heute absolut harmlos.

Seit einigen Jahren allerdings macht Autofahren kein Spass mehr. Lange Strecken versuche ich mit der Bahn zu fahren. Kilometerlange Zugkolonnen, die sich auf den Schienen hintereinanderreihen, wurden glücklicherweise noch nicht erfunden. Das schlimmste ich jedoch der Stadtverkahr: Hier war ich bei überschaubaren Entfernungen immer lieber zu Fuß statt mit Bus und Bahn unterwegs. Mit dem Auto in die Stadt geht es für mich schon aufgrund der Parkplatzssuche nicht mehr.

Bild: Achim Otto

Seit einigen Monaten bin ich wieder vermehrt mit dem Drahtesel unterwegs, alte Probleme haben wir aus der Welt geräumt. Dafür überkommt mich ein ähnliches Gefühl wie nach dem Abitur. Ein Gefühl der Befreiung - und das trotz schlechter Radwege und gefährlichen Situationen mit Autofahrern.

Mit dem Fahrrad direkt von A nach B zu fahren spart in meinem Fall Zeit. Mitunter sogar sehr viel Zeit: Bei Strecken bis acht Kilometer bin ich in der Regel im Bonner Stadtverkehr schneller unterwegs als mit dem Auto. Bus und Bahn haben bis 15, vielleicht sogar 20 km keine Chance gegen das Zweirad. Manchnmal ist man sogar bei einer Distanz von 15 Kilometern schneller als das Auto.

Bei Tagungen wo man eh sitzen angesagt ist, hat man als Zweiradfahrer den täglichen Sport bei den An- und Abfahrt schon "inklusive" und ist viel gelassener und ruhiger, als wenn man genervt mit dem Auto anreist.

Wann steigen Sie vom Sitz in den Sattel?

  Karsten Brandt
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