Zugegeben: Auch ich stelle mir unter „Sommerwetter“ etwas anderes vor. Auch ich würde gerne jeden Abend grillen, bis in die Nacht auf der Terrasse sitzen, morgens mit strahlendem Sonnenschein geweckt werden. Und ja, in diesem Sommer vermisse ich diese Tage auch schmerzlich.
Viele scheinen das aber als noch viel schlimmer zu empfinden. Die Welt gerät anscheinend aus den Fugen. „Das ist nicht normal!“ schreibt uns einer. „Ich habe schon mehr als 60 Jahre auf meinem Buckel und kann mich an viele heiße und 'langlebige' Sommer erinnern… Aber so ein Juli, DAS bleibt haften, der so ganz und gar untypisch sommerlich ist.“ Oder eine andere fragt: „Gibt es Ursachen für die ständig schlechter werdenden Sommer bei frühsommerlichen Temperaturen im April?“
Die Sommer werden immer schlechter. Dieser Sommer ist untypisch. Früher gab’s viele „langlebige“ Sommer. Immer wieder hören und lesen wir das. Nicht nur in E-Mails, auch in Anrufen und ständig in den Radio-Wettergesprächen, die wir führen.
Ist das wirklich so? Schauen wir uns den bisherigen Sommer 2011 doch mal etwas genauer an:
Viele werden es nicht glauben, aber der Juni lag deutschlandweit sogar über 1 Grad über den langjährigen Klimamittelwerten (1960-1990). Im Osten und Süden Deutschlands betrug die Abweichung sogar 1,6-1,8 Grad! Nur der Westen schaffte es lediglich knapp über den Durchschnitt. Was die Sonnenscheindauer betrifft, bekamen weite Teile mehr Sonne als im Durchschnitt ab, im Süden etwas weniger. Der Juni bietet also wenig Anlass zum Meckern.
Anders sieht es beim Juli aus. Der wird vor allem in der Südwesthälfte mit teilweise -1,5 Grad deutlich zu kalt ausfallen. Im Nordosten kann die Bilanz aber sogar leicht im Plus abschließen! Was den Regen angeht, fiel im Osten teilweise das Doppelte der Durchschnittsmenge. Im Westen blieb es dagegen stellenweise deutlich trockener als im Durchschnitt. Was den Sonnenschein angeht, wird wohl nirgendwo das „Mittelmaß“ erreicht. Vor allem im Westen hatten die Wolken die Oberhand.
Und damit sind wir auch dann auch beim Kern der Sache: Wenn es weniger Sonne als „im Mittel“ gab – ist das dann ein „unnormaler“ Sommer? Ein Sommer, wie es ihn früher nie gab? Das Wort „Mittelwert“ sagt es eigentlich schon: Es ist die Mitte der Werte, es muss also sonnigere und weniger sonnige Sommer gegeben haben!
Schauen wir uns doch mal die Ecke Deutschlands an, die offenbar im Juli besonders arg gebeutelt war: Der Westen ist im langjährigen Vergleich besonders kalt und besonders sonnenarm geblieben. Völlig „untypisch“ und noch nie da gewesen?
Die Grafik zeigt die Anzahl der Sonnenstunden in Düsseldorf im Monat Juli in den vergangenen 40 Jahren. Den Wert für das Jahr 2011 haben wir aus den Messwerten und Prognosen der letzten Tage des Monats berechnet:
Tatsächlich wird der Juli 2011 also als ein recht sonnenarmer in die Statistik eingehen. Aber ist das wirklich so „untypisch“? 2008 brachte auch nicht sehr viel mehr Sonne, 2004 und 2002 lagen auf ähnlichem Niveau, 2000 sogar noch darunter. Und auch früher war nicht alles besser: In den drei Jahren 1979 bis 1981 fiel der Juli ziemlich grau aus. Und auch 1974, so dass Rudi Carrell 1975 sein „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ trällerte. Die rote Linie markiert übrigens den Mittelwert von ca. 200 Sonnenstunden.
Und auch bei den Temperaturen sieht es sehr ähnlich aus: Insbesondere in den 70er Jahren gab es viele ähnlich „kühle“ Sommer. Ab Mitte der 80er Jahre gab es häufiger wärmere Sommer, aber 1998 und das Jahr 2000 waren sogar noch kälter als unser Juli 2011.
Wie gesagt: Das sind die Zahlen aus der Ecke Deutschlands, die im Juli 2011 besonders „schlecht“ weg kam.
Also: Nein, früher war nicht alles besser. Auch früher gab’s in Deutschland keine Sommer-Garantie mit wochenlangem Sonnenschein. Wenn Deutschland wirklich einen solch verlässlichen Sommer hätte – wären wir Deutschen dann jedes Jahr auf’s Neue Reiseweltmeister?
